12. Oktober 2012
Ben Hill, Europa-Chef der chinesischen Trina Solar, spricht im Interview über Strompreise, die Zukunft der Photovoltaik und erklärt, was in der Solarbranche falsch lief.
Ben Hill, Europa-Chef der chinesischen Trina Solar, spricht im Interview über Strompreise, die Zukunft der Photovoltaik und erklärt, was in der Solarbranche falsch lief.
Die Politik diskutiert über die Kosten der Energiewende. Ein zentraler Punkt ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das auch Betreibern von Solaranlagen hohe Einnahmen für eingespeisten Strom garantiert. Profitiert hat davon der chinesische Solarkonzern Trina, der fast die Hälfte seines Umsatzes in Deutschland erzielt. Ben Hill, Europa-Chef des Unternehmens, verteidigt zwar das EEG, befürwortet aber zugleich eine Absenkung der Vergütungssätze.
Herr Hill, für deutsche Stromkunden wird der Ausbau der Solarenergie immer teurer. Kann es denn bei einem EEG bleiben, das Anlagenbetreibern exorbitante Renditen erlaubt?
Reich werden mit einer Solaranlage: Das darf nicht sein. Das EEG muss so modifiziert werden, dass mit sinkenden Anlagenpreisen die Vergütungen nachgezogen werden. Eine Rendite von acht Prozent halte ich für größere Anlagen für angemessen. Wenn es weniger wird, ist das für Investoren nicht mehr interessant.
Ben Hill ist seit mehr als 24 Jahren in der Solarbranche.
Ben Hill ist seit mehr als 24 Jahren in der Solarbranche.
In Deutschland wird aber viel über einen Komplettumbau des Systems diskutiert. Ein Quotenmodell gewinnt immer mehr Freunde. Gute Idee?
In Großbritannien ist das Quotenmodell gescheitert. Dort kam der Ausbau der Erneuerbaren nicht voran. Die vom Staat vorgegebene Quote für Erneuerbare am Strommix wurde über Jahre nicht erreicht. Versorger zahlten lieber Strafen, als die Quote zu erfüllen. Außerdem fehlt bei einer Quote, die jedes Jahr neu definiert wird, die Investitionssicherheit.
Ein Quotenmodell hat den Vorteil, dass günstige Erneuerbare den Vorzug bekommen. Wäre dies das Ende der Solarbranche ?
Nein, bestimmt nicht. Im Quotenland Großbritannien ist die Photovoltaik jetzt die Technologie der Wahl. Denn Wind auf hoher See ist erheblich teurer als geplant. Und für Wind an Land gibt es keine Standorte.
Aber werden Sie im nächsten Jahr überhaupt noch Anlagen in Europa verkaufen können? Die EU hat ein Dumping-Verfahren gegen chinesische Solarfirmen gestartet. Der Vorwurf: Die chinesische Regierung subventioniere Firmen mit billigen Krediten.
Das entspricht nicht der Wirklichkeit. 90 Prozent der Anteile von Trina sind an der New Yorker Börse notiert. Wir sind verpflichtet, in unseren Geschäftsberichten unsere Finanzierung offenzulegen. Schauen Sie nach, Sie werden dort keine billigen Kredite von der chinesischen Regierung finden.
Worum geht es denn dann in dem Verfahren?
Es geht in dem Verfahren lediglich darum, dass sich Firmen, die in großen Schwierigkeiten sind, vor der Konkurrenz schützen wollen. Die EU könnte mit der Verhängung von Strafzöllen vielleicht 2000 Jobs retten, sie riskiert aber 300.000 Jobs ? darunter viele bei deutschen Firmen. Denn Wacker Chemie beispielsweise beliefert chinesische Solarhersteller mit Silizium. Der Maschinenbauer Roth&Rau ist einer der wichtigsten Hersteller von Produktionsanlagen, die in China im Einsatz sind.
Dennoch gibt es eine starke Lobby, die Sanktionen durchsetzen will ? allen voran Solarworld.
Bedenken Sie: Strafzölle würden die Preise für Solaranlagen erhöhen. Folglich werden wir dann eine Debatte über die Erhöhung der Einspeisevergütungen für Solaranlagenbetreiber bekommen. Das will die Bundesregierung ganz bestimmt nicht. Und in Brüssel gibt es nur geringe Unterstützung für Strafzölle. Ich bin davon überzeugt, dass es keine Sanktionen gegen chinesische Solarprodukte geben wird. Auch die Mehrheit der europäischen Solarindustrie lehnt Strafzölle ab, weil die Branche erkannt hat, dass günstige Solarmodule ? auch aus China ? nachhaltig wichtig sind, damit Solarstrom schnell wettbewerbsfähig wird.
Können deutsche Solarfirmen da noch mithalten?
Ja, definitiv. Aber die deutschen Solarfirmen haben versäumt, in den guten Zeiten in hocheffiziente Produktionsanlagen, in Forschung und Entwicklung und in Größe zu investieren. Stattdessen wurden hohe Dividenden ausgezahlt. Das Versäumte muss jetzt nachgeholt werden.
Aber sind die großen Zeiten der Branche nicht schon vorbei?
Das Kuriose ist, dass wir gerade jetzt vor dem entscheidenden Durchbruch stehen. 2014 werden unsere Solaranlagen in der Lage sein, so günstig Strom zu produzieren, dass keine Subventionen über Einspeisevergütungen mehr nötig sind. Das wird dem deutschen Strommarkt massiv helfen. Denn wir haben derzeit das Problem, dass es an Leitungen fehlt, um Windstrom von Norden nach Süden zu bringen. Deshalb ist es sinnvoll, im Süden auf Photovoltaik zu setzen ? nicht um ein BMW-Werk zu versorgen. Aber ein Solarpark am Rande einer Kleinstadt kann dann helfen, mittags die Spitzen in der Stromnachfrage abzudecken.
Was ein Riesenproblem erzeugt. Im Sommerhalbjahr verdrängt die Solarenergie Gaskraftwerke. Die sind nicht mehr rentabel und werden abgeschaltet. Aber im Winter werden sie noch immer dringend gebraucht.
Das stimmt, wir müssen Lösungen finden. Dazu gehört, dass wir die Vorhersagbarkeit der Wind- und Sonnenstromeinspeisung auch über längere Zeiträume verbessern müssen. Dies ermöglicht, Kapazitäten für den Winter besser zu planen. Natürlich müssen wir auch über Speichertechnologien nachdenken.
Zur Person
Ben Hill ist gebürtiger Brite und seit mehr als 24 Jahren in der Solarbranche aktiv. Der heute 41-Jährige startete seine Karriere in Großbritannien bei der Firma Sollatek. Danach arbeitete er zehn Jahre für die Solarsparte des Mineralölkonzerns British Petroleum. Zu Trina Solar kam Ben Hill im Jahr 2009. Dort ist er für die Geschäfte in Europa verantwortlich.
Trina Solar ist der fünftgrößte Hersteller von Solaranlagen weltweit. Jeder dritte Trina-Kunde kommt aus Deutschland. Die Aktien des Unternehmens werden an der New Yorker Börse gehandelt. 70 Prozent der Aktionäre kommen aus den USA. Trina Solar setzte im zweiten Quartal 346 Millionen Dollar um und verbuchte dabei einen Nettoverlust von 92 Millionen Dollar.
Doch deren Kapazitäten sind erstens sehr gering und zweitens sind sie sehr teuer. Fordern Sie etwa neue, hoch subventionierte Speichertechnologien?
Nein, aber schauen Sie sich mal die Möglichkeiten an, die der Betreiber einer Solaranlage zur eigenen Nutzung des Stroms hat. Sie brauchen nur eine relativ einfache Batterie im Keller. Trina arbeitet an solchen Systemen, und ich hoffe, wir werden in absehbarer Zeit Marktreife erreichen. Das entlastet zudem die Netze.
Kann sich Trina solche Projekte überhaupt noch leisten?
Generell gilt: Auch chinesische Modulhersteller leiden. Zwischen 35 und 40 Prozent der Firmen sind pleite. Da wird nicht mehr produziert, da ist niemand mehr in den Fabriken. Auch größere Hersteller wie Trina sind in erheblichen Schwierigkeiten. Es geht jetzt darum, das Unternehmen auf die richtige Größe zu bringen. Wir investieren in hoch effiziente Zellen, dafür gibt es noch immer eine Nachfrage. Aber das Geschäft ist extrem hart.
Wie viele Beschäftigte muss Trina entlassen?
Unsere Produktionskapazitäten waren an einer potenziellen Nachfrage orientiert, die erheblich höher lag als die tatsächliche Nachfrage. Um zu überleben, sind erhebliche Einschnitte nötig. Jeden Tag sehe ich Kollegen, die das Unternehmen verlassen müssen.
Was ist in der Solarbranche schiefgegangen?
Ein wichtiger Punkt war: Im Februar 2011 hat Italien, das war der weltweit zweitgrößte Markt, die Solarförderung komplett gestoppt. Damit sind mit einem Schlag enorme Überkapazitäten entstanden. Ein Ausverkauf setzte ein ? nur um die Lager leer zu bekommen. In Deutschland wurde Ende vorigen Jahres die Lage sehr schwer vorhersagbar, weil nicht klar war, wie stark die Einspeisevergütungen für die Betreiber von Solaranlagen sinken würden.
Und wie geht es weiter?
Weltweit wird die Branche weiter wachsen. In Ländern wie Japan oder in China selbst wächst die Nachfrage. Doch die Kapazitäten sind noch immer zu groß. Der europäische Markt wird schrumpfen. Das nächste Jahr wird sehr schwierig. Viele Firmen kämpfen. Es ist eine verrückte Welt.
Wurde die verrückte Welt von Politikern, insbesondere deutschen Politikern erschaffen?
Das deutsche System war erfolgreich. Denken Sie daran, wie viele Jobs geschaffen wurden.
Aber nun verschwinden viele dieser Arbeitsplätze. Eine ganze Reihe von Solarfirmen musste Insolvenz anmelden.
Ich widerspreche. Es sind viel mehr Jobs entstanden, als jetzt durch Insolvenzen verloren gehen. Eine große Zahl von Handwerkern hat mit der Installation von Solaranlagen Geld verdient. Vor allem in den Krisenjahren 2008 und 2009 wurden viele kleine Betriebe durch die Solar-Nachfrage gerettet. Außerdem haben die Preissenkungen in jüngerer Zeit zusätzliche Jobs im Handwerk geschaffen, da es in Deutschland immer noch einen gehörigen Ausbau gab.
Und damit geht es munter weiter. Beobachter erwarten, dass dieses Jahr in Deutschland Anlagen mit einer Gesamtleistung von acht Gigawatt installiert werden. Deutlich mehr als das Doppelte des Zielwerts der Bundesregierung.
Ich bin mir nicht sicher, dass es acht Gigawatt werden. Die Diskussion über die Reduzierung der Einspeisevergütungen hat mehrere heftige Nachfragewellen erzeugt. Jetzt normalisiert es sich. Ich glaube, es wird sich bei sieben Gigawatt einpendeln.
Das Gespräch führte Frank-Thomas Wenzel.
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